Wildkatzen am Kaiserstuhl und im Rheinwald am Oberrhein


Veröffentlicht am 06.03.2022 in der Kategorie Natur & Naturschutz von Axel Mayer

Wildkatzen am Kaiserstuhl und im Rheinwald am Oberrhein



Aktueller Einschub


BZ: Wo ist das Hauptvorkommen der Wildkatze in Baden-Württemberg?
Sabrina Streif von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg: Die Wildkatze hat sich recht schnell von Frankreich, der Schweiz und dem Pfälzer Wald kommend entlang der ganzen Rheinschiene ausgebreitet. Auch im Odenwald und im Main-Tauber-Kreis gibt es Populationen, die aus angrenzenden Regionen einwandern. Und zwar überall da, wo sie einen vernetzten Lebensraum vorfinden. In Südbaden haben wir vergleichsweise große Vorkommen im Markgräflerland und im Kaiserstuhl, auch im städtischen Bereich rund um Freiburg.
Quelle: Badische Zeitung


In einer Zeit, in der positive Meldungen aus dem Umwelt- und Naturschutzbereich eher Seltenheitswert haben, freut sich der BUND am Südlichen Oberrhein besonders über das im Februar 2009 endgültige bestätigte Vorkommen der Wildkatze in den Rheinauen und am Kaiserstuhl.

Durch eine umfassende Untersuchung
konnte nachgewiesen werden, dass die seit 1912 in Baden-Württemberg "ausgestorbenen" Wildkatzen wieder in den Wäldern des Landes umherstreifen.

"Ausgestorben" ist ein seltsam beschönigendes Wort. Es klingt nach "still von uns gegangen". Bekämpft, verfolgt, ausgerottet, ausgemerzt..., diese Begriffe beschreiben den Umstand des "Aussterbens" ein wenig treffender.


In den Rheinauen, am Kaiserstuhl und im Nordschwarzwald wurde das Vorkommen dieser scheuen Einzelgänger jetzt durch genetische Untersuchungen eindeutig nachgewiesen.

Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA)
konnte für den Bereich Kaiserstuhl und angrenzende Rheinauen ein Wildkatzenvorkommen (Felis s. silvestris) nachweisen. Der Nachweis gelang auf den Gemarkungen Sasbach (Landkreis Emmendingen), Vogtsburg, Breisach und Hartheim (alle Landkreis Breisgau Hochschwarzwald). Der BUND hat die Wildkatze auf der Gemarkung Baden-Baden nachgewiesen. Auch in weiteren Gemarkungen im mittelbadischen Raum, im Stromberg und im Odenwald werden Wildkatzenvorkommen vermutet. Genauere Untersuchungen laufen derzeit.

Nachdem 2006 und 2007 zwei am Kaiserstuhl überfahrene Katzen
anhand genetischer Untersuchungen als Wildkatzen identifiziert wurden, hatten die Wildforschungsstelle in Aulendorf, die FVA und der BUND Landesverband eine systematische Fahndung nach der Wildkatze vereinbart.

Die Untersuchung erfolgte mit der Baldrian-Lockstockmethode.
Bei dieser Methode werden die Katzen durch den Geruch des Baldrians angezogen und hinterlassen beim Reiben an angerauten Holzstöcken Haare. Anhand der gesammelten Haare kann eine genetische Artzuordnung durchgeführt werden. Das Untersuchungsgebiet der FVA erstreckte sich in den Auwäldern der Rheinebene von Hartheim bis nach Sasbach, einschließlich des Kaiserstuhls. Insgesamt wurden auf einer Fläche von 13.882 Hektar 55 Lockstöcke aufgestellt. An diesen konnten 143 Haarproben gesammelt werden. Erste Analysen der aus den Haaren gewonnenen DNA zeigen, dass es sich bei 77 der insgesamt 79 bisher untersuchten Proben aus dem Kaiserstuhl und den angrenzenden Rheinauen um Wildkatzenhaare handelt.

Die bisherigen Ergebnisse
lassen noch keine Rückschlüsse auf eine genaue Individuenzahl zu. "Wie viele Wildkatzen es genau gibt, können wir nicht sagen", sagte Rudi Suchant von der FVA in einem Interview in der Badischen Zeitung."Schließlich kann ein und dieselbe Katze auch mehrfach am Lockstock Haare gespendet haben. Sicher ist, dass wir fünf verschiedene Wildkatzenarten nachgewiesen haben, also gibt es auch mindestens fünf Tiere, wahrscheinlich aber viel mehr." Die Einstufung der Wildkatze als "ausgestorbene" Tierart in Baden-Württemberg kann also revidiert werden.

Die ersten Wildkatzen nach 100 Jahren und das im Kaiserstuhl und in den Rheinauewäldern. Nachdem in den letzten beiden Jahren, nach langer Zeit, endlich auch wieder Lachslaich in den Schwarzwaldbächen Murg und Kinzig gefunden wurde, ist dies für den BUND eine sehr positive Entwicklung.


Seit Jahren engagiert sich der Bund für Umwelt und Naturschutz bundesweit für die scheuen und seltenen Tiere. So gibt es in einigen Bundesländern ein BUND-Projekt „Ein Rettungsnetz für die Wildkatze“. Auch der Bund in Baden Württemberg ist in Sachen Wildkatze aktiv.

Der Kaiserstuhl ist keine einfache Heimat für die Wildkatze
Im Süden, Osten und Norden des kleinen Vulkangebirges wachsen die Gemeinden mehr und mehr zu Siedlungsbändern zusammen und neue Straßenbauprojekte gefährden die Wildkatze. Ein "Durchkommen" nach Osten, Richtung Schwarzwald wird durch die bisherige Autobahn fast verunmöglicht.
In Zukunft soll es dort eine fast unüberwindbare Barriere geben:
Lärmschutzwall - Hochgeschwindigkeitstrasse der Bahn - Sicherheitsabstand - sechsspurige Autobahn mit Randstreifen - Lärmschutzwall...
Ob der scheue Räuber wohl über so breite Grünbrücken geht, die zur Überbrückung der lauten, stinkenden europäischen Nord-Süd Transversale nötig wären?

Es gibt am Kaiserstuhl auch andere Probleme in Sachen Natur und Umwelt...
Die Zeit der landschaftszerstörenden Großflurbereinigungen am Kaiserstuhl ist zwar schon lange vorbei und die Naturschützer haben mit ihrer Kritik am damaligen Gigantismus Recht behalten. Immer noch bringen Pflanzengifte und Düngung große Probleme für das Grundwasser am Kaiserstuhl. Die Globalisierung mit zunehmendem internationalem Konkurrenzdruck macht auch den Winzern zu schaffen. Aus diesem Grund wurde und wird der Maikäfer am Kaiserstuhl auch massiv mit Gift und Hubschrauber bekämpft. Darunter leidet die Artenvielfalt mit der die Fremdenverkehrsämter so gerne für das Naturparadies Kaiserstuhl werben. Die verheerenden Auswirkungen der Gifteinsätze der 50er Jahre auf Mensch, Natur und Umwelt sind vergessen und verdrängt. Die Maissteppe der Rheinebene dringt langsam in die Seitentäler des Kaiserstuhls vor, hohe Obstbäume und Hecken fallen dem "Fortschritt" zum Opfer. An manchen Tagen gibt es einen regelrechten Massenansturm auf die Schutzgebiete des Kaiserstuhl. Umso wichtiger ist es jetzt die Heimat der Wildkatze, die Wälder am Kaiserstuhl und in den Rheinauen, zu schützen und zu bewahren.

Jetzt gilt es die Wildkatzen,
auch tatsächlich am Kaiserstuhl und hoffentlich auch bald im Schwarzwald, willkommen zu heißen und die gefährdete Natur am Oberrhein und am Kaiserstuhl zu schützen. Wichtig ist jetzt auch eine alte Forderung des BUND-Regionalverbandes umzusetzen. Die Bachläufe von Elz und Dreisam sollten renaturiert und die Dämme zurückverlegt werden. So können, mit Ausgleichsgeldern des Bahnausbaus, in der durchschnittenen, zersiedelten Landschaft am Oberrhein grüne Durchgangskorridore für Tiere geschaffen werden. Auch andere sinnvolle Möglichkeiten Wildkorridore zu schaffen sind zu prüfen. (Realität am Oberrhein ist allerdings die Tatsache, dass gerade an vielen Stellen die letzten naturnahen "Lücken" geschlossen und zugebaut werden) Die Renaturierung der Auewälder am Rhein im Rahmen des Integrierten Rheinprogramms (IRP) kann einen wichtigen Beitrag für das Überleben der Wildkatze am Oberrhein leisten.
Axel Mayer / BUND-Regionalgeschäftsführer



Dank
Unser Dank geht an die MitarbeiterInnen der Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) für ihre ganz hervorragende Arbeit (nicht nur) in Sachen Wildkatze.


Die FVA Baden-Württemberg in Freiburg ist Ihr Ansprechpartner für alle Fragen rund um das Thema Wald und Forstwirtschaft. Im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten erfüllt sie die Aufgabe, zielorientierte, praxisnahe und konkrete Konzepte und Informationen für Waldbesitzer, Förster und die interessierte Öffentlichkeit zu erarbeiten.




Mehr BUND-Infos zur Wildkatze: hier



Wildkatzen Felis silvestris am Kaiserstuhl nachgewiesen
[b]- erster sicherer Nachweis für Baden-Württemberg seit 1912 -
[/b]
Quelle: www.fva-bw.de
Auszug aus einem Beitrag der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden Württemberg

Micha Herdtfelder, Martin Strein, Rudi Suchant,
Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg

Wissenschaftler der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) untersuchten im Zeitraum Januar 2006 bis Februar 2007 mehrere überfahrene Katzen, deren äußeres Erscheinungsbild denen von Wildkatzen Felis silvestris entsprachen. Bei zwei Tieren aus der Region Kaiserstuhl im Oberrheingraben bestätigten sowohl die morphometrischen als auch die genetischen Untersuchungen den Verdacht auf Wildkatze. Damit sind seit 1912 Wildkatzen erstmals wieder sicher in Baden-Württemberg nachgewiesen worden.

Die beiden bestätigten Funde im Einzelnen:

*Die erste Katze wurde im Januar 2006 auf der L 134 zwischen Gündlingen und Oberrimsingen, nahe dem Kaiserstuhl überfahren und von einem Mitarbeiter der Straßenmeisterei bei Instandhaltungsarbeiten neben der Straße gefunden. Da das Fell und insbesondere die Größe des männlichen Tieres dem Finder ungewöhnlich erschienen, meldete er den Fund mit Verdacht auf Wildkatze an die FVA.

Angaben zur Katze aus Vogtsburg

Fundort Gemeindestraße bei Vogtsburg Burkheim, 192müNN
RW 3394710, HW 5330430,

Funddatum Januar 2007

Finder Jagdpächter

Geschlecht Weiblich (Katze)

Äußere Kennzeichen Buschiger Schwanz mit schwarzen
Ringeln und schwarzer Spitze; Aalstrich

Körpermaße
Kopf-Rumpf 52,0 cm
Schwanz 29,0 cm
Hinterfuß 12,0 cm
Ohr 6,5 cm
Leithaar Schwanz 5,4 cm
Gewicht 3,7 kg
Darmlänge 142,0 cm

Mageninhalt 70 g:
Stark anverdaute Mäuse – Menge
und Art nicht bestimmbar

Schädel zertrümmert

Darmindex (n. Schauenberg 1977) 2,7
*Die zweite Katze wurde ein Jahr später von einem Jagdpächter bei Burkheim / Vogtsburg im Kaiserstuhl am Straßenrand gefunden. Er sprach das Tier direkt als Wildkatze an und meldete den Fund daher an das Regierungspräsidium Freiburg. Die durch das Regierungspräsidium benachrichtigten Mitarbeiter der FVA konnten das weibliche Tier zur Untersuchung abholen.


Angaben zur Katze aus Gündlingen

Fundort
L 134 zwischen Gündlingen und
Oberrimsingen, 197müNN
RW 3398900, HW 5318600

Funddatum Januar 2006

Finder Straßenmeisterei Breisach

Geschlecht Männlich (Kuder)

Äußere Kennzeichen Buschiger Schwanz mit zwei
Ringeln und schwarzer Spitze. Aalstrich auf Rücken. Geringer
Kontrast der Fellzeichnung.

Körpermaße
Kopf-Rumpf 54,5 cm
Schwanz 32,5 cm
Hinterfuß 14,4 cm
Ohr 6 cm
Leithaar Schwanz 5,8 cm
Gewicht 4,9 kg
Darmlänge 164,5 cm

Mageninhalt
220 g: 2 Waldmäuse Apodemus
sylvaticus, 5 Mäuse nicht bestimmbar,
ein Vogelschnabel nicht bestimmbar

Schädel
Schädellänge 10,00 cm
Schädelvolumen 43 ccm

Schädelindex (n. Schauenberg 1969) 2,32
Darmindex (n. Schauenberg 1977) 3,0

Die Situation der Wildkatze in Baden-Württemberg

Ursprünglich war die Wildkatze in nahezu ganz Mitteleuropa verbreitet (Piechocki 1990). Das Maximum der europaweiten Ausdehnung erreichte Felis silvestris nach Hemmer (1993) in der postglazialen Wärmezeit. Nach Braun (2003) geht man davon aus, dass die Wildkatze in den Wäldern Baden-Württembergs noch im 17. und 18. Jahrhundert überall anzutreffen war.
Allerdings wurde die schon allein aufgrund der Klimaveränderung in prähistorischer Zeit beginnende Arealverkleinerung (Hemmer 1993) durch die Ausrottungskampagne gegen diese Katze noch verschärft (Braun 2003). Nachdem die vermutlich letzten Exemplare in Baden-Württemberg 1911 / 1912 bei Lienzingen und Leutershausen erlegt wurden, gilt die Wildkatze in Baden-Württemberg seit 1912 als verschollen. Die letzten Rückzugsgebiete um 1900 vermutet man im Schwäbisch-Fränkischen Wald, im Gebiet Stromberg-Heuchelberg, im Schönbuch / Rammert, auf der Ostalb sowie in Teilbereichen des Nordschwarzwaldes. Die Diskussion, ob die Wildkatze Anfang des 20. Jahrhunderts in Baden-Württemberg wirklich ausgerottet wurde, hält seit Jahren an. Handfeste Nachweise von Wildkatzen konnten aber bisher auch für die genannten Gebiete nicht erbracht werden - alle untersuchten Todfunde und Museumsmaterialien aus der Zeit nach 1912
stellten sich als Hauskatzen heraus (Braun 2003).





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Immer mehr Klimawandelleugner und Energiewendegegner argumentieren mit gezielt vorgeschobenen "Artenschutz-Argumenten" gegen Energie aus Wind & Sonne. Bei den großen Bränden in Australien und in Amazonien sind Milliarden Tiere auf eine entsetzliche Art und Weise gestorben. Die menschengemachte Klimakatastrophe wird die globale Artenausrottung und das Waldsterben massiv beschleunigen. Diese Fakten müssen, auch wenn's uns Naturschützern manchmal schwerfällt, bei allen regionalen Planungsvorhaben in die immer notwendige Artenschutz-Betrachtung einbezogen werden.

Genau in dieser Frage unterscheiden sich gemeinwohlorientierte Naturschutzverbände von egoistischen Bürgerinitiativen.