Französische Atomwaffentests auf Mururoa: Erfolgreicher regionaler & globaler Protest gegen Kolonialverbrechen


Veröffentlicht am 18.07.2023 von Axel Mayer

Vor 25 Jahren: Erfolgreicher Protest gegen französische Atomwaffentests & Kolonialverbrechen auf Mururoa


Wie der BUND am Nördlichen Kaiserstuhl vor 25 Jahren die französischen Atomtests in Polynesien stoppte...

Ich geb's ja zu. Die vollständige Überschrift über diesem Beitrag müsste lauten: "Wie der BUND am Nördlichen Kaiserstuhl, gemeinsam mit Millionen von Menschen und Tausenden von Gruppen weltweit, vor 25 Jahren die französischen Atomtests in Polynesien stoppte." Aber jede einzelne dieser unglaublich vielen Gruppen (insbesondere Greenpeace!) könnte heute mit Recht auf ihren großen-kleinen Anteil am erfolgreichen Protest von 1995-1996 hinweisen. Es geht nicht um Überheblichkeit, sondern um das Wissen der Macht des kleinen Rädchens im großen Weltgetriebe. Und die selbstbewusst-freche Überschrift soll allen Aktiven heute Mut machen, sich vor Ort global zu engagieren und einzumischen für Mensch, Natur, Umwelt, Frieden und Gerechtigkeit ...

Vor 25 Jahren: Erfolgreicher Protest gegen französische Atomwaffentests auf Mururoa


Eines der unrühmlichsten Kapitel der jüngeren französischen Geschichte waren die Atomwaffentests in Polynesien und die darauffolgende radioaktive Verstrahlung. Von 1960 bis 1996 führte die Kolonialmacht Frankreich in Nordafrika und im Pazifik insgesamt 210 Atomtests durch. Davon waren 50 besonders verheerende oberirdische Atomtests.

Die enorme Zahl aller Atomexplosionen, insbesondere die Testserien der Großmächte USA und Sowjetunion, führten zu einer globalen Belastung mit radioaktiven Stoffen und zu weltweiten Protesten. 1963 trat der von den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion und Großbritannien unterzeichnete Atomteststoppvertrag in Kraft und bedeutete das Ende aller Tests in der Atmosphäre.

Doch Frankreich führte selbst nach dem Abschluss
des partiellen Atomteststoppvertrags weiterhin oberirdische Atomtests durch. Auf Proteste reagierten die unterschiedlichen französischen Regierungen teilweise sehr aggressiv, etwa als 1985 das Greenpeace-Schiff "Rainbow Warrior" vom französischen Geheimdienst versenkt wurde.
Am 10. Juli 1985 wurde die „Rainbow Warrior“ im Hafen von Auckland, Neuseeland versenkt. Das Greenpeace-Schiff war auf dem Weg zum Mururoa-Atoll, um dort französische Atomtests zu verhindern. Kurz vor Mitternacht explodierten zwei Bomben am Rumpf des Greenpeace-Schiffs. Die Crew rettete sich an Land, der portugiesische Greenpeace-Fotograf Fernando Pereira ertrank. Versenkt wurde das Schiff vom französischen Geheimdienst, vom Geheimdienst einer westlichen Demokratie. Monate später räumt der damalige Premierminister Laurent Fabius ein, dass der Anschlag ein Auftrag von höchster Stelle war. Der Attentäter und die Attentäterin wurden zu zehn Jahren Haft verurteilt, aber schon nach kurzer Zeit entlassen. Verteidigungsminister Charles Hernu und Geheimdienstchef Pierre Lacoste verlieren zwar ihre Posten. Staatspräsident François Mitterrand jedoch kann sich im Amt halten. Später schreibt Lacoste in seinen Memoiren, Mitterrand habe von der Aktion gewusst und seine Zustimmung erteilt. So viel auch zum Thema "Westliche Werte".

Alle oberirdischen Atomtests waren Verbrechen und haben zu einer weltweiten Strahlenbelastung der Erde geführt, was die Gesundheit der Menschen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beeinträchtigte und beeinträchtigen wird. In der Nähe der Testgelände führten die atmosphärischen Tests häufig zu einem intensiven radioaktiven Fallout, zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen der lokalen Bevölkerung und zu Verseuchungen der Umwelt.

Die gesundheitlichen Folgen der atomaren Kolonialverbrechen für die Menschen in Polynesien waren verheerend. Wasserproben zeigten eine Nachweisbarkeit des Fallouts bis nach Südamerika. Neuseeländische Milch enthielt hohe Dosen an radioaktivem Jod. Die Ureinwohner auf Mururoa wurden teilweise dauerhaft aus ihrer Heimat vertrieben.


Eine neu gestartete Testserie Frankreichs führte 1995-1996 zu schweren Unruhen auf Tahiti und internationalen Protesten. Am 27. Januar 1996 zündete Frankreich auf dem Mururoa-Atoll im Südpazifik die sechste und letzte Atombombe einer Unterwasser-Testreihe.

Erfolgreicher Protest ist wie ein selbstspielendes Klavier mit vielen Tasten. Da gab es die "Greenpeace-Taste", die "Boykott-Taste", die "Protest-Taste" und die kritischen Pressekommentare. Auch die grenzüberschreitende Umweltbewegung am Oberrhein reagierte mit gemeinsamen Demos und Aktionen (nicht nur) in Freiburg, Mulhouse und Straßburg. Hier zeigte sich die jahrzehntelang geübte gute Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg. Eine von weltweit tausenden Protestaktionen organisierte der BUND am Nördlichen Kaiserstuhl. Unterstützt von französischen Umweltaktiven gab es am Grenzübergang Sasbach-Marckolsheim regelmäßige Demos, Mahnwachen und Aktionen mit Bannern und Transparenten und viel Zuspruch aus der Bevölkerung. Das "Protest-Klavier" funktionierte und es spielte immer lauter, während die teure PR der Rüstungslobby immer weniger wirkte.
Zermürbt von diesem anschwellenden weltweiten Protest,
Boykott-Aufrufen, juristischen Klagen und von dieser erfolgreichen globalen Zusammenarbeit erklärte der französische Staatspräsident Jacques Chirac 1996, also vor 25 Jahren, das offizielle Ende der französischen Kernwaffentests. Jetzt werden die französischen Explosionen am Computer simuliert. Im Jahr 2000 zogen die Franzosen von dem Atoll ab. Bis heute ist Mururoa ein Sperrgebiet und in rund 140 Bohrschächten lagern große Mengen langlebiger radioaktiver Abfälle. Seit 1996 hat die Anzahl der atomaren Sprengköpfe weltweit zwar abgenommen, doch im neuen Kalten Krieg "modernisieren" die Atommächte die verbliebenen Arsenale, und nicht nur im Nahen Osten versuchen immer mehr Staaten durch den Bau von neuen AKW in den Besitz von Atomkraftwaffen zu kommen.

Auch wenn die atomaren Gefahren durch Atomwaffen, zum Beispiel durch die US-Bomben in Büchel, weiter existieren, zeigt der erfolgreiche Protest vor einem Vierteljahrhundert, dass Umwelt- und Friedensbewegung gemeinsam erfolgreich sein können und dass kleine, örtliche Proteste, eingebunden in weltweite Aktionen durchaus auch wirksam sind.

Es ist ein wenig verwunderlich, dass diese Erfolge heute, ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der französischen Tests vergessen sind und nicht gefeiert werden. So eine Feier ist immer auch eine Warnung. Probiert es ja nicht wieder!

Axel Mayer, Mitwelt am Oberrhein, (Alt-) BUND-Geschäftsführer und Mitorganisator der damaligen Proteste



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Axel Mayer Mitwelt Stiftung Oberrhein
Mit Zorn und Zärtlichkeit auf Seiten von Mensch, Natur, Umwelt & Gerechtigkeit.


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