Geplante Obsoleszenz - Unbegrenztes Wachstum - Multiple Krisen: Ein Redebeitrag von Axel Mayer


Veröffentlicht am 10.07.2014 in der Kategorie Sonstiges von Axel Mayer

Geplante Obsoleszenz - Unbegrenztes Wachstum - Multiple Krisen




Ein Redebeitrag von BUND-Geschäftsführer Axel Mayer zum Thema Geplante Obsoleszenz vom 11.7.14 im Freiburger Vauban


Schneller kaufen - Schneller wegwerfen – Das Prinzip der geplanten Obsoleszenz –

Das Thema des Abends ist die geplante Obsoleszenz
die „gezielte Lebensdauerverkürzung von Produkten“ aber auch die vielen anderen Formen von Obsoleszenz.

Jürgen Reuß der das Buch „Kaufen für die Müllhalde“ geschrieben hat wird heute Abend hier lesen.
Ich mache nur die etwas umfangreichere Einführung ins Thema

Eine Veranstaltung vom Stadtteilverein Vauban und BUND Regionalverband

Ich möchte mit einem aktuellen Beispiel beginnen:
Wir erleben gerade das Supportende von Windows XP
Auf knapp 30 Prozent der etwa 1,5 Milliarden Rechner weltweit läuft die Software
Das Ende von Windows XP auch das Ende für einen Großteil der "30 Prozent der etwa 1,5 Milliarden Rechner weltweit" bedeuten könnte.
Nur wegen des Endes von XP werden weit über hundert Millionen Computer weggeworfen
Was sind das für Mengen an verschwendeter Energie, Rohstoffen und menschlicher Arbeitskraft

Als BUND-Geschäftsführer möchte ich das Thema Obsoleszenz in einen größeren gesellschaftspolitischen und umweltpolitischen Rahmen einordnen

Ich glaube nicht daran, dass hinter: „Schneller kaufen - Schneller wegwerfen“ nur der böse Wille und das Gewinnstreben einzelner Firmen steht

Geplante Obsoleszenz ist für mich eine Reaktion der Wirtschaft in Krisen und einer zerstörerischen Endphase exponentiellen Wachstums

Ich muss zugeben
Seit 39 Jahren bin ich im Umweltschutz aktiv,
aber bis vor zwei Jahren kannte ich den Begriff „Geplante Obsoleszenz“ nicht

Ich saß vor einem Jahr mit der Fernsehjournalistin Sigrid Faltin zusammen und wir diskutierten eine Sonderform der Obsoleszenz

Den Abriss der Freiburger Unibibliothek nach nur 33 Jahren

Abends kam die Mail von Sigrid: Zu dem Thema läuft ein sehenswerter Film auf Arte

Seither beschäftige ich mit diesem Thema:
Internet: 46.000 Zugriffe auf unsere Seiten
Viele Medienanfragen (Japan Asai Shinbum)
Versuch, das Thema in den BUND und in die bundesweite Umweltbewegung zu tragen

„Seither beschäftige ich mit diesem Thema“ ist eigentlich falsch ausgedrückt

Wir haben das Pferd immer nur vom anderen Ende her aufgezäumt.

Die wünschenswerte und notwendige Langlebigkeit von Produkten war immer schon ein BUND-Thema. Nur die gezielte Kurzlebigkeit nicht...

Noch einmal:
Ich glaube nicht daran, dass hinter: „Schneller kaufen - Schneller wegwerfen“ nur der böse Wille und das Gewinnstreben einzelner Firmen steht

Geplante Obsoleszenz ist für mich eine Reaktion der Wirtschaft in einer zerstörerischen Endphase exponentiellen Wachstums.

Es ist ein Puzzele-Stück in den aktuellen multiplen globalen Krisen

1932 veröffentlichte der damalige General-Motors-Chef Bernard Londons sein Buch „Ending the depression through planned Obsolescence“.

Die Idee war, dass eine verkürzte Haltbarkeit von Produkten den Konsum anheizen würde und so der Wirtschaft aus der Depression helfe.

Zwei Fragen ans Publikum:
1) Wie viel Wachstum hätten Sie denn gerne?
(wie viel Wachstum brauchen wir, um aus der Krise zu kommen?)

Bei einem anhaltenden Wachstum von 3% verdoppelt sich das Bruttosozialprodukt alle 23 Jahre, bei 5% sogar bereits alle 14 Jahre...
Und eine Menge, die exponentiell wächst, vertausendfacht sich jeweils nach der zehnfachen Verdoppelungszeit.

2) Wie viele Dinge haben Sie in Ihrem Haushalt?
Eine durchschnittliche Mitteleuropäerin oder ein Mitteleuropäer besitzt heute zwischen 10 000 und 13 000 Dingen, und es werden (Dank Wachstum & Werbung) täglich mehr

Jetzt stellen Sie sich die Menge der Dinge vor, die Sie besitzen und ein dauerhaftes Wachstum von 3%

Ist schnelles Wegwerfen die Problemlösung unserer Krisen?

Uns wird gesagt:
Chinesen & Deutsche arbeiten recht effizient und produzieren viel

Uns wird gesagt:
Die Finanz- und Wirtschaftskrise soll dadurch gelöst werden, dass Griechen, Spanier und der Rest der Welt so effizient arbeiten und produzieren wie Chinesen & Deutsche...

Ich frage Sie:
Wohin dann mit den ganzen Produkten? (Jährlich kommen in Deutschland 1,7 Mio. Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte auf den Markt)
Wer soll den ganzen Scheiß kaufen und woher sollen Energie und Rohstoffe für die Produktflut kommen?
Ist es sinnvoll und erfüllend unter immer größerem Stress immer mehr zu arbeiten um immer kurzlebigere und dümmere Produkte zu kaufen?

"Früher" gab es diese Probleme nicht


Wir sollten versuchen, unsere Probleme ohne Krieg zu lösen

In der Logik eines Systems unbegrenzten Wachstums spricht alles für Schneller kaufen - Schneller wegwerfen

Früher haben sich die Menschen über den Besitz von Dingen, über das „Haben“ definiert
Heute definiert sich eine werbeerzogene „Ich kaufe, also bin ich - Generation“ nicht mehr über den langen Besitz eines Produkts, über das „Haben“, sondern über den kurzen Vorgang des Kaufs

Und das Verrückte: Wir kaufen und kaufen und sind zunehmend unzufrieden, krank, ausgebrannt

In der Logik eines Systems unbegrenzten Wachstums und globalen Raubbaus spricht alles für Schneller kaufen - Schneller wegwerfen

Doch unbegrenztes Wachstum zerstört begrenzte Systeme
Das Versprechen vom unbegrenzten Wachstum ist nicht haltbar und beschleunigt die globale Krisen

Unsere globale Raubbauwirtschaft führt zu:


Ist schneller kaufen schneller wegwerfen vielleicht einer Sonderform der berühmten „spätrömischen Dekadenz“?

Die Eliten der Griechen und Römer waren vor dem Zusammenbruch ihrer Reiche sehr verschwenderisch
Sie haben Kriege geführt und beinah den gesamten Mittelmeerraum abgeholzt, um damit ihre Kriegs- und Handelschiffe zu bauen.

Menschengemachte Verwüstung ist häufig ein Vorzeichen zusammenbrechender Hochkulturen.

Und wir?
Ich sage nur drei Stichworte:
Obsoleszenz, Atomkraft und Fracking

Auch für unsere Handy- und Computerwegwerfkultur starben seit 1998 über 3 Millionen Menschen im "unbeachteten" Coltan-Rohstoffkrieg im Kongo.

Es gibt ein Politikproblem
In Sachen Wachstumsglaube und geplante Obsoleszenz gibt es fast keinen Unterschied zwischen der neoliberalen Rechten und strukturkonservativen Linken.
Der berühmte Satz: „Wir müssen die Binnenkonjunktur ankurbeln“ heißt doch nichts anderes als - schneller kaufen - schneller wegwerfen

Die Abwrackprämie / Umweltprämie war eine klassische Form von staatlich organisierter geplanter Obsoleszenz und eigentlich leider auch alt-sozialdemokratisch...

Wer sein über 10 Jahre altes Auto verschrottete, bekam bei gleichzeitiger Anschaffung eines Neuwagens eine so genannte Umweltprämie von 2500 Euro.
Hans Magnus Enzensberger gab der „Umweltprämie“ den richtigen Namen: „Die Abwrackprämie ist eine Belohnung für die Vernichtung von Gebrauchsgegenständen; ihr Besitzer empfängt diese Prämie, die er als Steuerzahler entrichtet.“ (Zitatende)

Der Wachstumsglaube führt aktuell auch zu einem der größten umwelt- und sozialpolitischen Fehler:
Das geplante Freihandelsabkommen.
Das Das Transatlantische Freihandelsabkommen ( TTIP) wird die demokratiegefährdende Macht der Konzerne verstärken.
Es öffnet die europäischen Türen für Genfood, Hormonfleisch, Fracking, Sozialdumping, geheime Schiedsgerichte, Monsanto und andere US-Konzerne.
Konzerne die schon jetzt in Europa viel Geld verdienen, aber im Gegensatz zu Dir fast keine Steuern bezahlen, werden noch mächtiger.

Der Natur- und Umweltschutz arbeitet liebevoll am kleinen Detail, die Genlobby, Chemiekonzerne & Umweltzerstörer arbeiten am großen Ganzen.
Wenn wir uns jetzt nicht gegen TTIP wehren, werden wir den ökologischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte zu verspielen.

Was tun?
Sie warten jetzt auf die berühmt berüchtigten Appelle der Umweltbewegung ans Gewissen und an den guten Menschen:

„Ändert Euer Leben: Kauft langlebige Produkte“

Nach fast vier Jahrzehnten in der Umweltbewegung habe ich immer weniger Lust auf solche Appelle.

Es ist gut, ökologisch sinnvoll zu handeln, aber Appelle reichen nicht und nützen wenig.

Wir müssen gegen die zerstörerische Logik eines Raubbausystems angehen.

Was tun?
Die Macht der VerbraucherInnen gegen die Verkürzung der Produktlebensdauer war bisher zumindest einmal erfolgreich:

Der US-Konzern Apple wurde 2003 von tausenden KundInnen per Sammelklage vor ein Gericht gebracht. Im iPod waren Akkus mit sehr kurzer Lebensdauer installiert, die natürlich nicht austauschbar waren. Es kam zu keinem Urteil, weil Apple sich außergerichtlich mit den KlägerInnen einigte. Dennoch war die Klage ein erster Erfolg im Kampf für nachhaltige Produkte. Gegen Obsoleszenz durch "immer Neues kaufen müssen" hat das Urteil wenig genützt

Was tun?
Reparaturwerkstätten sind ein guter individueller Ansatz
Aber es ist auch die berühmte individuelle Nische
Wir brauchen die Nische, wir brauchen aber auch den politischen Ansatz

Was tun?



Was können wir gewinnen?


"Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier." Gandhi



Axel Mayer, BUND Geschäftsführer




(Es gilt das gesprochene Wort)



Geplante Obsoleszenz - Unbegrenztes Wachstum - Multiple Krisen




Eine kleine Auswahl: Reden von Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Alt-) BUND-Geschäftsführer, Kreisrat, Vizepräsident TRAS


Rede zum Klimastreik am für die Fridays for Future Demo in Staufen



















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  • 3) Im Zweifel, gerade in Kriegszeiten, ist die -Allgemeine Erklärung der Menschenrechte- immer noch eine gute Quelle zur Orientierung.

Axel Mayer Mitwelt Stiftung Oberrhein
Mit Zorn und Zärtlichkeit auf Seiten von Mensch, Natur, Umwelt & Gerechtigkeit.


Getragen von der kleinen Hoffnung auf das vor uns liegende Zeitalter der Aufklärung (das nicht kommen wird wie die Morgenröte nach durchschlafner Nacht)



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