2024 / Werner Mildebrath: Solarpionier aus Sasbach, die Sonnentage & der Anfang der Solarenergie in Deutschland


Veröffentlicht am 21.03.2024 in der Kategorie Energie von Axel Mayer

Werner Mildebrath: Solarpionier aus Sasbach, die Sonnentage & der Beginn der Solarenergie in Deutschland


Aktueller Einschub vom 23.3.2024:

Werner Mildebrath: Ein Sasbacher im Haus der Geschichte in Stuttgart


In Stuttgart steht das große Landesmuseum. Dort wird auf eine beeindruckende Weise die Geschichte unseres Bundeslandes dargestellt und zu dieser Geschichte gehören natürlich auch die Frauen und Männer, die diese Geschichte geprägt haben. In die neu konzipierte Dauerausstellung des Museums reihte sich im März 2024 jetzt auch ein Sasbacher ein. Werner Mildebrath, der am 18.9.2020 verstorbene Solarpionier, Tüftler, Anti-Atom-Aktivist und BUND-Ehrenmitglied, ist ein Teil der neuen Dauerausstellung. Neben vielen berühmten Persönlichkeiten des Landes zeigt diese Würdigung, dass auch ein kleiner Mensch und einfacher Handwerker einen wichtigen Beitrag für die Zukunft und die Menschheit leisten kann. Der neue Museumsraum heißt "Demokratie und Teilhabe seit 1945" und das Engagement von Mildebrath steht unter dem Motto: „Energien freisetzen“.

In der Ausstellung gezeigt werden ein großes Mildebrath-Foto, seine frühen Solaranlagen und ein alter Lautsprecher. Seine Musikanlagen waren nicht nur bei unzähligen Dorffesten im Einsatz sondern auch bei den vielen Kundgebungen und Aktionen der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen. Jetzt ist der Lautsprecher museumswürdig.

Die Ausstellungsobjekte aus Sasbach werden im Museum durch kurze, erklärende Texte ergänzt:
"Der Widerstand gegen das geplante Atomkraftwerk in Wyhl überraschte die Landesregierung. An den Protesten seit Frühjahr 1974 nahmen Winzer*innen, linksalternative Studierende aber auch viele CDU-Mitglieder teil. Sie fürchteten die Zerstörung ihrer Heimat am Kaiserstuhl und wehrten sich gegen die fehlende Beteiligung von Bürger*innen an der Entscheidung für den Bau des AKWs im Wyhler Wald. Der Heimatvertriebene Werner Mildebrath aus Hinterpommern unterstützte die Proteste und orientierte sich neu. Der Elektriker wurde zum Solarpionier am Kaiserstuhl. Er gab der Anti-Atomkraftbewegung am Kaiserstuhl eine Stimme. Für den Sternmarsch im August 1974 montierte der Elektriker eine Lautsprecheranlage auf seinen PKW. Der Fischer Balthasar Ehret und andere hielten ihre Reden mit Handmikrophonen. Auch bei der Demonstration der Kaiserstühler vor dem Stuttgarter Landtag im Dezember 1974 war Mildebrath mit seiner Anlage dabei.
Die Besetzung des Bauplatzes im Wyhler Wald im Februar 1975 unterstützte er mit einem Stromaggregat. Angeregt durch eine Radiosendung über Solaranlagen in den USA begann Werner Mildebrath 1975 in seiner Sasbacher Werkstatt zu tüfteln. Er entwickelte die erste thermische Solaranlage am Kaiserstuhl. Mit der Firma Mildebrath Sonnenkollektoren baute Mildebrath in den nächsten zwölf Jahren 800 Solaranlagen. 40 lieferte er nach Ägypten.
" (Zitatende)

Der Sasbacher Solarpionier und die frühen großen Sasbacher Solarausstellungen, die "Sasbacher Sonnentage", haben mitgeholfen eine unglaubliche Entwicklung anzustoßen. Solarstrom ist inzwischen weltweit eine der günstigsten Stromerzeugungquellen und kostengünstiger als Strom aus Kohle und Atom. In der Wüste von Saudi-Arabien wird er für nur einen US-Cent pro Kilowattstunde (kWh) erzeugt.
Der kleine engagierte Mensch und Handwerker vom Kaiserstuhl hat mitgeholfen, die Welt ein wenig besser zu machen. Er macht sich gut im Haus der Geschichte in Stuttgart.

Axel Mayer


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In Zeiten des Klimawandels und Artensterbens gibt das Leben und Wirken von Werner Mildebrath ein wenig Hoffnung. Ein "kleiner Mensch und einfacher Handwerker" kann einen wichtigen Beitrag für die Zukunft und die Menschheit leisten.


Trauer um Solarpionier Werner Mildebrath: Solarpionier, Tüftler, BUND-Ehrenmitglied und Aktivist am 18.9.2020 verstorben


Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland trauert um sein verstorbenes Ehrenmitglied Werner Mildebrath aus Sasbach.
Der Solarpionier gehört zu den Ersten, die in Deutschland thermische Solaranlagen bauten. Der jetzt verstorbene Wyhl-Aktivist und Tüftler erhielt am 26.4.2008 bei der Landesdelegiertenversammlung des BUND in Bad Boll die Ehrenmitgliedschaft des BUND. Er war das erste Mitglied aus der Region am Südlichen Oberrhein, der diese Ehrung erhielt.



Werner Mildebrath war ab dem Jahr 1973 aktiv, als die Bevölkerung und die Badisch Elsässischen Bürgerinitiativen zuerst ein umweltbelastendes Bleichemiewerk im elsässischen Marckolsheim und später ein AKW in Wyhl verhinderte. Er war seit 1976 Mitglied des BUND. Werner Mildebrath führte damals mit seiner ebenso aktiven Frau Erika, ein kleines dörfliches Elektrogeschäft in Sasbach, einem kleinen Ort in nächster Nachbarschaft zu Marckolsheim und Wyhl.

Wie viele aus der dörflichen Bevölkerung war er fest eingebunden in den örtlichen AKW Wyhl - Widerstand, als Elektriker aber hatte er einige „besondere“ Aufgaben. Bei vielen Kundgebungen und Aktionen war er zuständig für die „Demo-Technik“. Er organisierte die Elektrik, die damals noch „exotische“ Videotechnik und die Lautsprecheranlagen und bediente diese. Im Wyhler Wald sorgte sein Aggregat bei Veranstaltungen für Strom. Bei vielen Aktionen, auch in späteren Jahren, war er wie selbstverständlich als für diesen Bereich „zuständiger“ Mann dabei, immer zuverlässig und engagiert, ohne viele Worte zu machen.

Alleine diese Aktivitäten waren schon Grund genug für eine Auszeichnung. Doch in erster Linie ging es dem BUND darum, den Solarpionier Werner Mildebrath zu ehren.

Durch die Volkshochschule Wyhler Wald war er sehr früh auf die damals absolut „exotische“ thermische Erwärmung von Wasser mithilfe der Sonne aufmerksam geworden.

Im Jahr 1975 baute der Elektriker, Tüftler und Handwerker für sein eigenes Haus eine sehr solide thermische Solaranlage die heute nicht nur immer noch existiert, sondern auch noch funktioniert. Es dürfte sich dabei um eine der ersten praxistauglichen Solaranlagen in Deutschland gehandelt haben. Diese Anlagen gehören langfristig in ein Technik-Museum.

Im Sommer 1976 veranstalteten einige Aktive der Badisch-Elsässischen BI´s und des damals frisch gegründeten Bund für Umwelt und Naturschutz (Aktion Umweltschutz) die weltweit erste große Ausstellung zu alternativen Energien in Sasbach am Kaiserstuhl. Der Widerstand gegen das im Nachbardorf Wyhl geplante AKW, das berühmte "Nai hämmer gsait" war den Aktiven des BUND und der BI's nicht genug, es galt auch, Alternativen zur Atomenergie aufzuzeigen und neben das Nein zur Atomenergie das Ja zu den alternativen Energien zu stellen. Die Solaranlagen von Werner Mildebrath waren damals ein wichtiger Teil der Sasbacher Sonnentage.

Sonnentage in Sasbach: Die erste Solar-Ausstellung 1976
Entnommen aus "Solare Zeiten - die Karriere der Sonnenenergie" von Bernward Janzing

Gemessen an heutigen Ausstellungen alternativer Energien war es eine kleine, ja geradezu winzige Ausstellung. Über 12 000 BesucherInnen kamen 1976 zu diesen ersten "Sonnentagen" nach Sasbach. Es war tatsächlich eine „kleine, weltgrößte“ Ausstellung und es ist unglaublich und faszinierend, was sich aus diesen "Sonnentagen" entwickelt hat. Gerade dieser Vergleich zeigt den unglaublichen Erfolg der damaligen Idee und der umgesetzten Vision.

Für Werner Mildebrath war dies alles der Einstieg in die kleintechnische Produktion von Solaranlagen. Er gründete eine kleine Firma und baute in der ganzen Region seine Anlagen, die alle heute noch funktionieren.

Jahre danach hatte ihn das Schicksal vieler Pioniere ereilt. Was anfangs belächelt und sogar bekämpft wurde, wurde später von großen Firmen aufgegriffen, die großtechnisch einfach billiger produzieren konnten. Die Firma des verstorbenen Pioniers gibt es nicht mehr.

Dennoch braucht es diese Tüftler, Techniker und Pioniere, um zukunftsweisende, langlebige und nachhaltige Technologien auf den Weg zu bringen und der BUND ist stolz, solche Menschen in seinen Reihen gehabt zu haben.

Auf seinem Hausdach befinden sich alte und neue Solaranlagen. Die ältesten Solar-Anlagen Deutschlands sollten nicht in der Schrottpresse landen, sondern in einem Technikmuseum.
Wir werden Werner Mildebrath vermissen.

Dr. Brigitte Dahlbender BUND-Landesvorsitzende / Axel Mayer (Alt-) BUND Geschäftsführer


Alte und neue Kampagnen gegen die Erneuerbare Energie


Noch im Jahr 1993 behaupteten die vier großen deutschen Energieversorger und Atomkonzerne in einer Anzeige in der Zeit: „Regenerative Energien wie Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als 4 % unseres Strombedarfs decken". Im Jahr 2023, 30 Jahre nach dieser Anzeige, hatten die erneuerbaren Energien einen Anteil von 59,7 Prozent an der Nettostromerzeugung erreicht. Bis heute lässt die Kohle-, Öl-, Gas und Atomlobby die kostengünstigen und umweltfreundlichen Energien mit Bürokratie und Fake-News bekämpfen.
Und Strom aus Wind und Sonne ist schon lange kostengünstiger als Strom aus neuen AKW.

"Solarstrom (PV) ist inzwischen weltweit fast überall am günstigsten: In der Wüste von Saudi-Arabien wird er für nur einen US-Cent pro Kilowattstunde (kWh) erzeugt, in Portugal für 1,4 US-Cent pro kWh. Laut US-Investmentbank Lazard sanken die solaren Erzeugungskosten zwischen 2009 und 2020 um 90 Prozent."

Doch die aggressiven frühen Kampagnen gegen die zukunftsfähigen Energiequellen und die Energiewende wurden und werden heute von AfD, FDP, CDU, CSU, von der Springer-Presse und alten-neuen atomar-fossilen Seilschaften fortgesetzt.




Hier gibt´s einen lesenswerten Nachruf für Werner Mildebrath in der Badischen Zeitung


Trauerrede für Werner Mildebrath


Liebe Erika,
liebe Trauerfamilie Mildebrath
liebe Freundinnen und Freunde von Werner, liebe Aktive
Liebe Trauergemeinde

Ich spreche heute hier, auf Einladung der Familie, als Freund und Mitstreiter von Werner und für den BUND und die Badisch-Elsässischen-Bürgerinitiativen

Schließt doch bitte alle einmal die Augen
Erinnert Euch an an eine Begebenheit, eine Begegnung mit Werner
an irgend ein Bild von Werner das in Euerm Kopf hängen geblieben ist
(...)
Bilder
Werner als Ehemann und Vater
Werner auf der Dach, wenn er eine Antenne baut
Werner im Elektromobil im Dorf
Werner bei der Wyhl-Marckolsheim Demo
Werner als Aussteller bei den Sonnentagen
Werner beim Vereinsfest, wenn er die Lautsprecheranlage installiert
Werner der immer half, wenn er gefragt wurde

Das "Werner-Bild" in meinem Kopf
Werner bei der Wyhl-Demo am Lautsprecher auf der Leiter, von hinten "gestibbert" von seiner Frau Erika

Werner war immer auch für andere aktiv

*für die Familie
*für die Vereine
*für die BI´s gegen Atom und Blei

*Menschen wie Werner haben wir es zu verdanken dass das Bleiwerk und das AKW nicht kamen
*Menschen wie Werner haben wir es zu verdanken dass Energie aus der Sonne heute billiger ist als Atomstrom

Was hat Werner alles für uns, für Euch getan?

Mein schlechtes Gewissen bleibt
Haben wir uns zu Lebzeiten genug bedankt (nicht nur bei Werner)?
Es freut mich, dass der BUND Werner zum Ehrenmitglied ernannt hat
zu Lebzeiten

Die Familie Mildebrath hatte es im Leben nicht einfach
Als Flüchtlinge nach dem Krieg zuerst am "Rande des Dorfes"
Ich glaube wir "Jungen" und Nachgeborenen können uns die Situation für Flüchtlinge "auf dem Dorf " nach dem Krieg nicht vorstellen

Und heute?
In der Chronik von Sasbach und Leiselheim bei Wikipedia gibt es berühmte Persönlichkeiten und zwei Visionäre und Pioniere.

*Carl Friedrich Meerwein (1737–1810), Baumeister und Konstrukteur eines Flugapparats aus Leiselheim
*Werner Mildbrath Solarpionier, Tüftler, BUND-Ehrenmitglied und Aktivist

Beide Pioniere haben Erfolge erlebt und Niederlagen erlitten
Beide Tüftler wurden verlacht, bekämpft und bewundert
Meerwein und Mildebrath können heute in einem Atemzug gemeinsam genannt werden
Jetzt (Jahre zu spät!) wäre es Zeit für die Gemeinde Sasbach, Werner Mildebrath mit einer Strassenbenennung zu ehren

Unser Werner Mildebrath hat gezeigt:
Man muss nicht Doktor oder Professor oder "studiert" sein um etwas für Alle Nützliches zu erreichen
Man muss nicht Doktor oder Professor oder "studiert" sein um den menschlichen Fortschritt zu dienen

In Zeiten des Klimawandels und Artensterbens gibt das Leben und Wirken von Werner Mildebrath ein wenig Hoffnung.
Ein "kleiner Mensch und einfacher Handwerker" kann einen wichtigen Beitrag für die Zukunft und die Menschheit leisten.

Dankscheen Werner

Axel Mayer



Hier noch ein schöner, von Georg Löser geschriebener Nachruf für Werner Mildebrath