Hans Erich Schött & das verhinderte AKW in Wyhl


Veröffentlicht am 02.06.2023

Hans Erich Schött / Endingen und das verhinderte AKW in Wyhl


Unser Freund und Mitstreiter Hans Erich Schött ist tot. Der 83-Jährige starb am Montag, dem 8.5.2023 bei einem tragischen Unfall in Weisweil. Es ist schön, dass er den Atomausstieg noch erleben durfte.


Am Tag an dem sein Tod bekannt wurde, wurde an einem Nebentisch im Endinger Gasthaus Sonne sehr respektvoll über ihn geredet.
"Er war ein feiner Mensch" wurde da gesagt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Axel Mayer

In Endingen ist die Rebumlegung endlich geschafft,
aber nicht dafür, dass Rosenthal seinen Bleistaub rüberpafft.
Drum hört den Apotheker, der laut und deutlich spricht:
Es gibt für vieles Medizin, doch für Bleivergiftung nicht ...

Die andere Wacht am Rhein / Walter Mossmann, Anfang Okt. 1974


"Der Apotheker", das war natürlich Dr. Hans Erich Schött, der Endinger Apotheker, Lebensmittelchemiker und Landwirt, der sich viele Jahre lang gegen das geplante, extrem umweltvergiftende Bleichemiewerk in Marckolsheimund gegen das Atomkraftwerk in Wyhl engagierte. Er war eine der vielen wichtigen, großen Persönlichkeiten in diesen frühen Kämpfen für Mensch, Natur und Umwelt ...

Er engagierte sich schon seit 1963 als Gründungsmitglied der kommunalen Liste „Endinger Bürgergemeinschaft“ und war mehrere Jahre Landtagsabgeordneter, Gemeinderat in Endingen und Kreisrat im Landkreis Emmendingen. Hans Erich Schött war langjähriges Kuratoriumsmitglied im Öko-Institut Freiburg, Freiheitsliberaler und in der Atompartei FDP stets ein Kritiker dieser Technologie ... Im Jahre 2011 erklärte er seinen Austritt aus der Partei, weil er deren Atom- und Anti-Umweltkurs nicht mehr ertragen konnte.

Von ungewollten GRÜNEN Vaterschaften ...
Im Konflikt um das geplante AKW gab es bei uns Bürgerinitiativlern auch die Überlegung, einen Menschen als Vertreter in den Landtag zu bringen. Die "Schwarzen" kamen nicht infrage, denn sie waren fürs AKW und die "Roten" kamen am schwarzen Kaiserstuhl nicht so richtig infrage. Herr Dr. Schött, Endinger Apotheker und ein wichtiger Vertreter der Bürgerinitiativen, war bereit, den Weg ins Parlament über die FDP zu machen. Auf seinen Wahl-Plakaten stand aber kein Partei-Logo, sondern nur „Dr. Hans Erich Schött – Bürgerinitiative“. Und er wurde tatsächlich gewählt, auch ohne Partei-Logo. Staunend stellten wir damals fest, dass es möglich war, als Umweltschützer in den Landtag zu kommen und dieser ungewöhnliche FDP-Umweg war auch ein Impuls, eine Umweltpartei zu gründen. Die Geschichte kennt erfreulicherweise nicht nur gerade Wege. 1976 wurde Herr Dr. Schött in den Landtag gewählt und 1980 wurden die GRÜNEN gegründet.

Axel Mayer (Ich kannte und schätze Herrn Schött seit der Wyhler Zeit, aber auch als freundlichen, gradlinigen, engagierten Kreisrat und Endinger Mitbürger mit dem ich viele Gespräche geführt habe)


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Wer waren die Menschen auf dem Wyhler Platz? Der kluge Walter Mossmann hat sie "aufgelistet" und selbstverständlich fehlt auch "der Apotheker" nicht...


In einer Rede beschrieb Walter erfrischend realistisch die Wyhler BesetzerInnen:
Was neu war: Auf den besetzten Plätzen in Marckolsheim, Wyhl oder Kaiseraugst trafen sich nicht mehr nur die üblichen Verdächtigen aus der linken Szene, auf die sich Polizei und Justiz längst eingeschossen hatten, vielmehr kamen dort Leute zusammen, die eigentlich gar nicht zusammen gehörten, deshalb ging es ja auch in Wyhl viel lustiger zu als bei den Parteimeetings der Moskau- oder der Peking-Kommunisten. Im Freundschaftshaus auf dem besetzten Platz in Wyhl trafen Winzergenossen und katholische Landfrauen auf eine Jugendgruppe der IG Metall aus NRW oder auf die Stuttgarter Gewerkschaftsopposition bei Daimler ("Plakatgruppe") mit Willi Hoss und Peter Grohmann, es trafen sich evangelische Pfadfinderinnen aus Heidelberg mit bündischen Jungs aus Hamburg und Grauen Panthern aus Westberlin, es kamen denkende Sozialdemokraten, die sich gerade mit Erhard Eppler gegen den Atompolitiker Helmut Schmidt aufrichteten, es kamen die Religiösen von den Anthroposophen bis zu den Zen-Buddhisten, dazwischen Linkskatholiken, Pfingstler, Basisgemeinden, orthodoxe Russen, reformierte Juden, laizistische Iraner, synchretistische und tolerante Brasilianerinnen, es kamen deutsche Männergesangsvereine, französische Feministinnen, geoutete Schwule, heimliche Heteros, Spontis, Maoisten, Trotzkisten, Anarchisten, Ornithologen, Vegetarier, Verteidiger des SED-Regimes, die absurderweise auf volkseigene Atomkraftwerke vom Typ Tschernobyl setzten, es kamen Leute vom Schwarzwaldverein, von den Vosges Trotter Colmar, von der Skizunft Brend, es kamen Pazifisten, Reserveoffiziere und die Schnapsnasen aus Webers Weinstuben, es kamen alte Leute, die ihre Ideen vom Naturschutz aus der nationalsozialistischen Erziehung mitbrachten, es kamen kritische Architekten, Mediziner, Pädagogen, Journalisten, frustrierte Orchestermusiker, grübelnde Polizisten, und sie trafen auf den Apotheker vom Kaiserstuhl, den Schmied, den Schreiner, die Ärztin, die Chemikerin, den Müller, den Fischereimeister, den Tabakbauer, die Winzerinnen, die Lehrer, die Pfarrer, und sie trafen Werner Mildebrath, den Elektriker aus Sasbach, der schon 1975/76 den Leuten seine Sonnenkollektoren aufs Dach setzte, denn die Bürgerinitiativen arbeiteten schon damals an erneuerbaren Energien, und sie organisierten 1976 die Sonnentage von Sasbach, als die Stuttgarter Regierung noch einfältig und doktrinär an das Perpetuum Mobile namens Atomkraft glaubten.