Ulf Fiedler, Emmendingen: Linker demokratischer Aktivist am 17. Oktober 2020 gestorben


Veröffentlicht am 23.10.2020

Ulf Fiedler, Emmendingen: Linker demokratischer Aktivist am 17. Oktober 2020 gestorben


Am 17. Oktober 2020 starb Ulf Fiedler plötzlich und unerwartet im Alter von 72 Jahren in Emmendingen. Ich kannte Ulf aus unruhigen Zeiten, aus dem Konflikt um das geplante AKW in Wyhl.

Wir waren, nicht nur damals, häufig unterschiedlicher Meinung und in sehr unterschiedlichen "K-Gruppen". Er in der KPD, ich bei den Kaiserstühler Atomkraftgegnern.
Der erfolgreiche Protest gegen das AKW im Wyhler Wald wurde von einer wunderbar heterogen und dennoch passenden Gruppe engagierter Menschen getragen, von Frauen und Männern, Kaiserstühler Winzerinnen, von konservativen Bauern und linksalternativen Freiburger Studierenden und Freaks. Ohne "unbequeme" Menschen wie Ulf wäre der Erfolg nicht denkbar gewesen. Es hat, so unterschiedlich wie die Menschen waren und sind, einfach gut zusammen gepasst.

Ich habe das wunderbare Engagement dieses konsequenten, gradlinigen, aufrechten, unglaublich engagierten Menschen über die Jahrzehnte hinweg aufmerksam verfolgt und bewundert.
Ich trage hier einige Beiträge & Nachrufe zusammen, die ihn (wie alle Nachrufe) nur unzureichend beschreiben können.

Axel Mayer



*Er war ein streitbarer Mensch. Bundestagsabgeordnete, hat Ulf Fiedler einmal gesagt, sollten wie Facharbeiter bezahlt werden, nicht wie Manager. Zu diesem Zeitpunkt kandidierte er selbst. Im Jahr 2005 stand er für die Linke auf dem Wahlzettel, ohne Erfolgsaussichten natürlich, am Ende blieben sowohl er als auch seine Partei im Wahlkreis Emmendingen-Lahr unter fünf Prozent. "Meine Kinder sind erwachsen und diese Form von politischer Auseinandersetzung reizt mich", erklärte der Emmendinger.
Es war ein Besuch im Konzentrationslager Auschwitz in seiner Jugendzeit, der Fiedlers politisches Engagement geprägt hat. Fiedler, der in sächsischen Zittau geboren wurde, engagierte sich in den 70er Jahren in der Kommunistischen Partei, in den 80er Jahren zog er auf der Grünen-Liste in den Gemeinderat ein. Der kaufmännische Angestellte war Gewerkschaftler, engagierte sich im Kampf gegen das geplante Atomkraftwerk in Wyhl und beim linksalternativen Radio Dreyeckland, als der noch ein Piratensender war und dessen Mitarbeiter von den Behörden mit Peilwagen gejagt wurden. "Einmischen und Mitmachen bei allen Initiativen, die sich kritisch mit den Verhältnissen auseinandersetzen" – das bezeichnete er einmal als seine Devise.
Patrik Müller in der Badischen Zeitung vom 23. Oktober 2020




*Liebe Angehörige von Ulf, liebe Freundinnen und Freunde von Ulf,

Es war vor 45 Jahren auf dem besetzten Bauplatz für das geplante Atomkraftwerk im Wyhler Rheinauewald, als ich Ulf zum ersten Mal sah. Es stand da am
Ende eines Vortrages ein junger Mann in der hinteren Reihe des Freundschaftshauses auf und blickte mit seiner „starken“ Brille, einer „Weitsicht“-Brille in die
Runde der Menschen hier vor dem prasselnden und wärmenden Lagerfeuer und erhob seine sonore Stimme. „Hmhm - Ach so - Ja, so isch dess“ hörte ich Kommentare um mich herum auf den „Schnällschwätzer do hinte“. Noch wußte ich nichts von Ulf außer, dass ich ihn von der Wortwahl her klar als Student, von
der Sprache her als Norddeutschen verorten konnte. Um was es an diesem speziellen Abend gerade ging, weiß ich nicht mehr, vermutlich wieder um die Sauberkeit auf dem Platz, die die kochenden Frauen immer reklamierten, wenn sie mit den dampfenden Kochtöpfen angefahren kamen. Ich wunderte mich bei seiner
kurzen Rede jedoch, dass Ulf von „WIR“, wir „Platzbesetzer“ sprach, und von der eigenen Perspektive, also von den Leuten, die sich seit einiger Zeit auf Dauer
auf dem kalten Platz im Wald mit einem Zelt eingerichtet hatten und auch richtig mitdachten. Es war wohl so um die 3. oder 4. Platzbesetzungswoche. Die Dörfer waren für die Nachtwachen eingeteilt, ich selbst war mit einem vollen VWKäfer meiner Freiburger WG angekommen und hatte meine Gitarre dabei. Es
fiel mir auf, dass Ulf, wenn wir die ersten, hier entstandenen Lieder und Umtextungen sangen, besonders gerne die Lieder von Walter Mossmann hörte und
mitsang. Meine ersten Lieder in meinem Kaiserstühler Dialekt hörte er stumm an, bald aber leistete jemand Übersetzungshilfe und er konnte sie einordnen.
Den sperrigen Kaiserstühler Dialekt lernte er in kürzester Zeit zwangsläufig. Denn als politisch Kopf diskutierte er ständig mit allen, mit einheimischen Platzbesetzern und mit Anführern aus den Bürgerinitiativen, die ja auch aus Protest und mit neuem alemannischen Selbstbewußtsein verstärkt Mundart sprachen. Auf dem Platz und in den BI‘s war Ulf für seine sozialistische Sicht auf die Welt, etwas gefürchtet. Anfangs versuchte er noch, mit der „Roten Fahne“, dem Zentralblatt der KPD, diese unter die Leute zu bringen, bevor er sich später von ihr lossagte. Bei langen Wortgefechten fuhr mancher Einheimische schon mal dazwischen: „Kumm! Jetz heer mol wieder uff mid däre ewige Debadderej!“
Tatsächlich begleitete dieser zugezogene „Dreyeckländer“ und Umweltschützer von Anfang an die Entwicklungen bei uns mit kritischem und klarem Verstand. Die Abende bei der Volkshochschule Wyhlerwald waren so für Ulf auch immer eine willkommene Bühne. Denn - wo geredet wurde, war Ulf dabei, mit viel Humor, Analyse und pfiffigen Ideen. Noch klingt in unseren Ohren sein: „Hehehe!
So geht‘s aber nicht!“ Und eine ganze Argumentationskette brach sich Bahn.
Fazit ist: „De Ulf isch halt e blitzgschejde Kärli gsi!“ Da er nicht nur im Wyhler Wald sondern auch danach zusammen mit seiner Margit und den Töchtern seine Zelte im Landkreis Emmendingen für immer aufgeschlagen hatte, haben wir uns in diesen über 40 Jahren nie aus den Augen verloren. Und das war gut so.
Zum Ende als Nachruf ein paar Strophen aus Moßmanns „ Wacht am Rhein“.
Trauerrede von Buki/Roland Burkhart 22.10.220


Ulfs Trauerrede 22.10.2020
Ulf und Margit sind Teil meiner Geschichte in Deutschland seit 40 Jahren.
Ulf war ein guter Mensch

und auch ein Polarisierender, was sich nicht widerspricht.
Er war allergisch auf jegliche Form von Ungerechtigkeit,
er hat sich eingemischt, hat sich gestellt, war unbequem für uns alle,
und er hat alles getan, um Benachteiligten zu helfen.
Er wurde 1948 in Zittau geboren, an der äußersten Ostgrenze Deutschlands.

(...)

Ein Freund von mir, der in Emmendingen wohnt, sagte, dass Ulf der Gesellschaft einen Spiegel vorgehalten hat, dass er ein Mahner war.
Aus der Bewegung der Platzbesetzungen in Wyhl, Markolsheim und Heiteren entstand das damals illegale Radio Verte Fessenheim, das grenzüberschreitend zwischen dem Elsass, der Schweiz und Baden sendete, was damals ein Politikum war.
Es sollte die Bevölkerung über die potentielle Gefahr des AKW Fessenheim informieren sowie eventuelle Aktionen ankündigen.
Ich weiß nicht mehr, ob er damals beim illegalen Senden dabei war, aber sicher ist, dass er jahrelang an den Beiträgen der Emmendinger Redaktion von Radio
Dreyeckland mitgearbeitet hat, zu der Zeit in der das Radio unter diesem neuen Namen legalisiert war und professioneller wurde.
Gleichzeitig hat er bei den Grünen das Leben als Parteimitglied ausprobiert, er wurde sogar Stadtrat, aber dies war nicht seine Welt, sein Kampf.
Privat lebte er die Werte dieser Partei.
Er und Margit lebten bescheiden, genügsam, sie pfiffen auf ein bürgerliches Leben mit Auto, mit großen Wohnungen usw…, entgegen dem Trend dieser Jahre.
Als die ersten großen Flüchtlingsströme aus Iran, Irak, Syrien hier ankamen (es war die Zeit von Saddam Hussein) wurde Ende 2002 Anfang 2003 der
Freundeskreis Asyl gegründet, in dem Ulf immer aktiv präsent war.
Er hat viele einzelne Menschen konkret unterstützt und sich dabei am Landesratsamt abgekämpft.
Diese ersten Jahre bleiben mir als „Kreis der Freunde“ in Erinnerung, wir waren alle mit Taten und Herzen dabei.
Daraus sind viele Freundschaften entstanden, zwischen uns sowie zwischen uns den „persischen“ Flüchtlingen, die uns sehr nah waren.

Ulf ist bis jetzt diesem Kreis treu geblieben, egal, wer einen juristischen Rat gebraucht hat, er war da.
Jede, jeder konnte kommen, sich an den Küchentisch setzen, einen Kaffee bekommen, reden, fragen.
Er und Margit waren einfach da.
Das, was Ulf in seiner Jugend gefehlt hat, hat er 1000-Fach Anderen geschenkt.
Mireille Caselli




*Emmendingen verliert ein Urgestein in der Flüchtlingshilfe
Der Freundeskreis Asyl Emmendingen trauert um Ulf Fiedler, der plötzlich und
unerwartet am 17.Oktober 2020 gestorben ist.

Seit mehr als drei Jahrzehnten ist Ulf Fiedler für Menschen, die nach Emmendingen geflüchtet sind,
sehr direkt und konkret ansprechbar gewesen. Er half bei Alltagsfragen, büffelte mit Schülern am
Küchentisch Deutsch, verlieh Regiokarten, war immer dienstags um 17 h im Haus der Begegnung für
Fragen präsent, begleitete Flüchtlinge zur Ausländerbehörde und - nahm sich Zeit und hörte zu.
Sein Interesse an den Menschen war eines auf Augenhöhe und geleitet von der Überzeugung, dass
Gerechtigkeit und Menschenwürde im direkten Handeln gelebt werden kann.
Ulf Fiedler nahm kein Blatt vor den Mund, das war oft notwendig und brachte Bewegung in die
Debatten - z.B. für kleinere Sammelunterkünfte statt Sammellager, für mehr Bewegungsfreiheit von
Flüchtlingen.
Der Freundeskreis Asyl und seine Vorläufer haben schon 3-4 Generationen durchlebt und Ulf Fiedler ist
eine der wenigen Konstanten, der dem Verein mit seiner Präsenz und Überzeugung über einige
Durststrecken hinweg half. Die Vernetzung und der Austausch mit den anderen Asylkreisen im
Landkreis, in der Region und Baden-Württemberg war ihm außerordentlich wichtig, denn er wollte
auch immer gut informiert sein und wissen, worüber er redet.
Wir wissen, dass er nicht nur bei uns Verantwortung übernahm, sondern sich in Emmendingen aktiv an
gesellschaftlichen Fragen der Stadt beteiligte, diskutierte und eben handelte. Als politischer Akteur
auf der Straße und im Gemeinderat, in der Mobil-Gemeinschaft für die Verkehrswende, für eine
atomfreie Region, als Medienmacher, im Schlosskeller-Team – Ulf war im besten Sinne ein neugieriger
Mensch und ein demokratischer Einmischer, wie wir sie brauchen.
Dieser breite, politisch bewusste Blick und seine gelebte demokratische Haltung schärfte auch
unseren Blick und hat nicht wenigen, die als Zugewanderte nach Emmendingen kamen, Halt
gegeben und den Rücken für ihr eigenes Handeln gestärkt.
Wir werden seinen zivilgesellschaftlichen Biss und seine Tatkraft schmerzlich vermissen.
Damit die Erinnerung an ihn lebendig bleibt, wird der Freundeskreis Asyl Emmendingen die finanzielle
Sprachförderung von Geflüchteten, die wegen ihres Aufenthaltstitel ohne Unterstützung sind und für
die sich Ulf besonders eingesetzt hat, zukünftig unter dem Namen „Ulf Fiedler-Sprachstipendien“
fortsetzen.
Freundeskreis Asyl Emmendingen




*Nachruf: Fiedler ist gestorben

Ulf Fiedler ist gestorben. Ulf kam Mitte der siebziger Jahre nach Freiburg, um sich am Kampf gegen das Kernenergieprogramm der Bundesregierung zu beteiligen. Fessenheim und Wyhl waren die Hotspots der Auseinandersetzungen. In vielfältigen Aktivitäten, durch Platzbesetzungen, Demonstration und aktiver Beteiligung am Widerstand gegen die AKWs war Ulf involviert. Es lag da Nahe, das er sich an dem wichtigsten Medium des Widerstandes gegen die Kernkraftwerke, dem freien Radio Verte Fessenheim, und die Tradition fortsetzend, bei Radio Dreyeckland engagierte. Später wirkte er in der lokalen Berichterstattung von RDL mit und war jahrelang maßgeblich an der Sendung "Lokalfunk Emmendingen" beteiligt. In Emmendingen war er darüberhinaus sozial und politisch engagiert, zuletzt vor allem für die Rechte von Geflüchteten. Wir trauern um einen engagierten Radiomacher und guten Freund.
Radio Dreyeckland