Wo ane gohsch? - Gerhard Jung


Veröffentlicht am 15.05.2018 in der Kategorie Kultur von Axel Mayer

Wo ane gohsch?
Gerhard Jung

Wo ane gohsch? Wo ane tribt s di Mensch?
Fliegsch hüt zum Mond,
fliegsch morn zu alle Sterne,
un losch nit luck, bis sie im tiefste Cherne,
in ihre letzte Heimlichkeite chennsch.

Un wo de die so groß un gottsallmächtig wähnsch,
wills nüd unheimlichis meh gid in de fernste Ferne,
vertröchnet dir im Schlamm die letzt Zisterne,
verbrennt de Bode, wo du „Heimet“ nennsch!

Verstickt im Gift de Weizen uf de Felder,
Vergiftet d Luft de Vogel in de Wälder,
vergiftet s Wasser millionewiis de Fisch.

So groß bisch Du, as alles stirbt denebe.
Zletzt cha kai Gschöpf me uf de Erde lebe.
Unheimlich würds wo nüt me heimisch isch.

*

Wel isch de Zündsatz, wo di usetribt,
aß meinsch, de chönntsch im Fliegen alles gwinne,
chönntsch im Vorbei schnell s Besti abe günne
vum Baum Erkenntnis, wo verbote blibt.

Was di dur s Lebe schupft un rißt und ribt,
sell sin d Unheimlichkeite in dir inne!
De sottsch die allweg emol wider bsinne
uf s Menschegsetz, wo dir e Größre schribt!

Wer fliege will, mueß zerst e Rampe ha
un zletzt e Bode, wo n er lande cha.
Wer Frucht geh will,
bruucht Wurzle, wo n en triibe.

Bevor chasch sage, wo de ane gohsch,
muesch allweg wüsse, ob au neume stohsch!
De letzti Sinn vum Goh isch wider s Bliibe!

*

Wo ane gohsch? Isch s nid e dunkli Frog?
Di dukelsti amend vu alle Froge,
wo mir uns Mensche demit umeploge,
solang s scho Mensche git un Menscheplog.

Schlat s di durab in Wirbel un in Sog,
würft s di duruf in wite Sterneboge?
Wo ane gohsch? Würsch trage oder zoge?
Ins Liecht? In d Nacht? In schwarze Beinertrog?

Di letzte Froge noch em letzte Goh,
di hän kei Antwort. Un s isch guet eso.
Antworte hän scho gar e mänke troge.

S würd jedi Zit uf andre Bahne cho.
Dü muesch si a`neh, forme, gelte lo!
Un ob si recht isch, muesch di selber froge!





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