André Weckmann: Auch die Umweltbewegung am Oberrhein trauert


Veröffentlicht am 31.07.2012 in der Kategorie Kultur von Axel Mayer

BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

C.S.F.R
Comité de Sauvegarde de Fessenheim et de la plaine du Rhin

André Weckmann: Ein Nachruf


Auch die grenzüberschreitende Umweltbewegung am Oberrhein trauert um André Weckmann. Der „große, alte Mann“ der Literatur im Elsass und am Oberrhein, der uns in unseren frühen Konflikten für die Umwelt und für ein Europa der Menschen begleitet hat, ist am 30. Juli 2012 im Alter von 88 Jahren gestorben.

Seine Bücher und Gedichte in elsässerditsch, französisch und hochdeutsch waren und sind - vergleichbar mit der Literatur von René Schickele - ein wichtiges Bindeglied über den Rhein.

Geprägt hat ihn seine Jugend im Krieg: 1943 wurde der Zwanzigjährige zwangsrekrutiert für die deutsche Wehrmacht. Dann kamen Verwundung, Heimaturlaub, Desertion, und zum Glück ist er keinem deutschen Kriegsgericht in die Hände gefallen.

Wer Menschen und Landschaft am Rhein, insbesondere aber die Geschichte, die Badener und Elsässer, Deutsche und Franzosen früher trennte und heute verbindet, verstehen will, der sollte unbedingt Weckmanns elsässisch-badischen Schlüsselroman „Wie die Würfel fallen“ lesen.

Andre Weckmann, der sensible Sprachkünstler, der von sich selbst sagte, er sei "kein Herdenmensch“, hat sich gleichwohl in einem wichtigen historischen Moment auf die beginnende ökologische Bewegung am Oberrhein eingelassen und ist aufgetreten in den Freundschaftshäusern von Marckolsheim, Wyhl, Gerstheim, er hat sich als Künstler engagiert. Wir verdanken ihm großartige kraftvolle Gedichte in elsässischer Sprache, die man hüben und drüben versteht. Ihm war von Beginn an klar, dass auf den besetzten Plätzen der 70er Jahre mehr entzündet wurde als ein Strohfeuer: «En Marckelse hets aangfange».

André Weckmann’s Gedichte haben viele regionale Liedermacher zu Vertonungen inspiriert. Sein „Alienation“-Gedicht ist zur Zeit der Platzbesetzungen von Marckolsheim und Wyhl entstanden und wurde als „Hankeni uff“(Hängt Euch auf!) über Jahre hinaus zur einer Durchhalteparole im Umweltschutzwiderstand im Dreyeckland. Der Kaiserstühler Liedermacher Buki(Roland Burkhart) hat es mit diesem herben Dialekt-Titel damals unter die Leute gebracht und singt es noch heute. Ebenso zu einem regionalen Gassenhauer wurde Weckmanns „Rhingold“, dessen Liedversion „Es hocke drej Herre am Rhin“ von Buki stammt und noch heute mit weiteren anderen Weckmann-Gedichten zum Repertoire der elsässische Gruppe „La Manivelle“ (LiselotteHamm/Jean-Marie Hummel) gehört. Fast seine ganze Schallplatte „Umesunscht?“ hat der Straßburger Liedermacher René Egles mit Vertonungen von Weckmann-Gedichten gefüllt, z.B. Schang d’Sunn schint schun lang u.a.
André Weckmann wollte eine Verbindung von Heimat und Globalem, von Überlieferung und Moderne, von Natur und Mensch. In einem seiner programmatischen Texte stellt er die Frage:
"Was ist nun diese "Alemannische Internationale"? Eine Idee, die es uns erlaubt, aus unserer Eingeengtheit herauszubrechen, ohne aber deshalb einer entwurzelnden Globalisierung zu verfallen."
André Weckmann war vor allem immer auch ein großer Europäer. Sein und unser Europa war immer das Europa der Menschen, nicht das Europa der Konzerne, der Bürokraten und vor allem nicht das der „Festung Europa“.

Jean Jacques Rettig (CSFR), Axel Mayer (BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein)





MARCKELSE



en Marckelse hets aangfange
Marckelse lejt am Rhin

en Marckelse han mer s guldene kalb gstoche
en Marckelse han mer d demokratie entdeckt
en Marckelse han mer d granze gsprangt
en Marckolse sen mer majorann worre

en Marckolse hets aangfange
Marckelse em Elsass

(André Weckmann)




Über den Autor
André Weckmann wurde 1924 in Steinbourg/Steinburg (Unterelsaß) geboren. Der „große, alte Mann“ der Literatur im Elsass und am Oberrhein, der uns in unsren frühen Konflikten für die Umwelt und für ein Europa der Menschen, begleitet hat, ist am 30. Juli 2012 im Alter von 88 Jahren gestorben.
Germanistikstudium an der Universität Straßburg. Pädagoge und Schriftsteller. Lebt in Straßburg. Veröffentlichte Essays, Manifeste, Erzählungen und Romane in deutscher und französischer Sprache, Lyrikbände im niederalemannischen Dialekt und in Hochdeutsch; Hörspiele und Fernsehfilme in Alemannisch, Deutsch und Französisch. Preise u.a.: Johann-Peter-Hebel-Preis 1976; Jacob Burckhardt-Preis 1986; Carl-Zuckmayer-Medaille 1990; Friedestrompreis 1996.
Axel Mayer





aliénation


(andré weckmann)

lon d walder åbholze
lon d acker betoniëre
lon d båch grådstrecke
lon d vogese verböjje
lon d låndschåft verhunze
lon de rhin verrecke
lon d kåminer géft kotze
un sejje gedrôscht:
es måcht si ållewil ainer e båtze gald debî
Loni uf d zeh dratte
loni uf d nås spitze
loni s mül züehewwe
loni d kåpp ewer d äuje zejje
loni d wurzle åbschnîde
loni d sprôch verwurje
un sejje gedrôscht:
es verdiënt si ållewil ainer e rôts reckel debî
un jetz
gehn haim
wascheni d hand
setzeni vor d télé
loni met kitsch stopfe
loni s hérn ufwaiche
loni d seel plåttwålze
un
wann de speaker bonsoir het gsait
hankeni uf


André Weckmann: eine kleine Auswahl